Unterschiede zwischen den prähistor. Sprachen
Es bleibt somit festzuhalten: Die prähistorischen Sprachen sind genauso weit entwickelt wie die modernen Sprachen. Alle grundlegenden Merkmale gesprochener Sprachen sind auf der ganzen Welt die gleichen:
- Jede Sprache besitzt eine Reihe distinktiver (also bedeutungsunterscheidender) Laute, die zu bedeutungstragenden Wörtern kombiniert werden.
- Jede Sprache verfügt über Möglichkeiten, grammatische Begriffe zu bezeichnen, wie Person, Singular/Plural, Präsens oder Präteritum, usw.
- Und jede Sprache besitzt bestimmte Regeln, nach denen die Wörter zu vollständigen Äußerungen zusammengefügt werden.
Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Sprachen im Détail ganz erheblich, und zwar sowohl die modernen wie auch die prähistorischen Sprachen. Und es trifft auch nicht zu, daß alle Sprachen auf allen Gebieten gleich kompliziert sind.
So besitzt das allgemein als „leichte Sprache“ geltende Englisch ein äußerst komplexes System von Vokalen und Diphtongen, während das Spanische nur 5 Vokale aufweist. Andererseits weisen die spanischen Verben viel mehr Formen auf als die englischen. Wollte man nun den Schwierigkeitsgrad oder die „Entwicklungsstufe“ dieser beiden Sprachen bestimmen, so müßte man entscheiden, ob die Vokale dabei eine größere Rolle spielen sollen als die Verbformen, oder umgekehrt. Derartige Bewertungskriterien lassen sich kaum festlegen.
Im Ergebnis sind alle Sprachen der Welt ungefähr gleich weit entwickelt und gleich schwierig, wobei Vorteile im einen Bereich wieder ausgeglichen werden durch Nachteile in anderen Bereichen .
Dies sei an 2 Beispielen aus den prähistorischen Sprachen erläutert, gilt aber ebenso für viele „moderne“ Sprachen.
a. Die Khoisan-Sprachen ...
... verfügen allesamt über sehr komplexe Lautsysteme, mit mehr Vokalen und weitaus mehr Konsonanten als jede europäische Sprache.
Das ist z.T. darauf zurückzuführen, daß es in all diesen Sprachen besondere Konsonanten (die sog. Klicklaute“) gibt. Diese Sprachlaute findet man nur im südlichen Afrika.
Einzelne Khoisan-Sprachen besitzen über 100 distinktive Sprachlaute, weit mehr als jede andere bekannte Sprache (die meisten Sprachen haben 30 – 40 distinktive Laute).
Dagegen ist die Zahl der Verbformen (Flexion) in den Khoisan-Sprachen sehr gering, und die Regeln für die Bildung von Sätzen sind überwiegend einfach.
Somit sind diese Sprachsysteme kompliziert, was ihre Laute betrifft, in anderer Hinsicht jedoch recht einfach.
b. Ganz anders ...
... ist dies bei anderen großen Gruppe der prähistorischen Sprachen, also der Jäger-und-Sammler-Völker, den australischen Aborigines.
Bis zur Ankunft der Europäer in Australien sprachen die Aborigines viele verschiedene Sprachen. Die meisten dieser Sprachen verfügten über äußerst einfache Lautsysteme (einige besitzen weniger als 20 distinktive Laute- weniger hat man in keiner anderen Sprache gefunden).
Dagegen sind ihre Systeme zur Wortflexion sehr hoch entwickelt. So läßt sich manchmal mit einem einzigen komplexen Verb ein Sinngehalt ausdrücken, der im Deutschen mehrere Sätze erfordert.
Demnach sind die australischen Sprachen einfach, was ihre Laute betrifft, in anderer Hinsicht jedoch kompliziert – also genau umgekehrt wie bei den Khoisan-Sprachen.
Zusammenfassung:
Man sieht, daß sich die Sprachen in Jäger-und-Sammler-Kulturen in Bezug auf ihre Laute und Grammatik genau wie andere Sprachen verhalten: Sie sind auf die eine Weise einfach und auf eine andere komplex, so wie Englisch oder Französisch oder Arabisch.
Was die Sprachsysteme anbetrifft, sind die Sprachen, die wir sprechen, absolut vergleichbar mit den Sprachen der Jäger und Sammlern unserer Zeit und vermutlich auch mit denen unserer Vorfahren, als diese noch Jäger und Sammler waren.
Insgesamt gesehen, werden Sprachen nicht komplexer oder weniger komplex – sie variieren bloß.