Gründe hierfür
Es fällt schwer, rationale Gründe für die zunehmende Aufnahme englischer bzw. amerikanischer Begriffe in die deutsche Sprache zu finden. Mancher Grund dürfte ohnehin mehr im unterbewußten Bereich liegen (mehr hierzu unten).
Beim Versuch einer rationalen Begründung wird meist argumentiert, daß die Aufnahme möglichst vieler englischer Worte in die deutsche Sprache die „Internationalisierung“ der deutschen Sprache fördern würde, was im allgemeinen Interesse liegen würde.
Aber was bedeutet der Modebegriff „Internationalisierung“ denn konkret?
Versucht man einmal, dieses konturenlose Wort mit Inhalt zu erfüllen, so verwenden die Anhänger dieser These gerne andere, ebenso schwammige Begriffe und Anglizismen (z.B. Globalisierung, usw). Im wesentlichen läuft es jedoch darauf hinaus, daß damit ein größeres, weltweites Sprachverständnis angestrebt werde.
Doch was bedeutet dies nun wieder? Und zwar konkret, und nicht nur schlagwortartig?
Meinen die Befürworter damit, daß sich das Deutsche in absehbarer Zeit unter dem Einfluß des Englischen in einer Weise weiterentwickeln würde, daß mit der Zeit die Sprachgrenzen der Welt zusammenbrechen und daß sich beispielsweise ein Deutscher (ohne Sprachkenntnisse) mit einem Franzosen, einem Afrikaner oder einem Asiaten unterhalten könne (vorausgesetzt, daß dessen Sprache bis dahin ungefähr dem gleichen Einfluß der englischen Sprache ausgesetzt sein würde)?
Mit anderen Worten: Daß sich die Nationalsprachen also einander so weit annähern würden, daß z.B. in 20 Jahren das „Denglish“ eines Deutschen und das „Franglais“ eines Franzosen es ermöglichen würde, daß beide miteinander kommunizieren können, ohne daß sie die jeweils andere Nationalsprache oder eine dritte Sprache (insbes. Englisch) beherrschen. – Also nur unter Verwendung ihrer jeweils eigenen (mit englischen Lehnwörtern angereicherten) Sprache?
Zumindest der frühere "Big Brother"-Produzent John de Mol ist hiervon überzeugt. Er spricht den Gedanken der Internationalisierung / Globalisierung offen aus:
Er erwartet gute Zeiten: Demnächst werde die Globalisierung alle Sprachbarrieren hinweggefegt haben. Dann sei die Bahn frei für weltumspannende Fernsehsendungen mit einem Milliardenpublikum.
(FAZ vom 21.03.2001, Nr. 68, S. N5)
Wer dies für möglich hält – und es ist im wesentlichen das einzige Argument, mit dem die Verwendung der Amerikanismen gerechtfertigt wird – verkennt jedoch grundlegende linguistische Gesetzmäßigkeiten.
Vor allem überschätzt er den Einfluß des Wortschatzes im Rahmen des Sprachkontakts und vernachlässigt gleichzeitig die wesentlich größere Bedeutung der Grammatik.
Wörter werden seit jeher massenweise von einer Sprache in eine andere übernommen. Dies geschieht im allgemeinen innerhalb weniger Jahre. Dagegen dauert es i.d.R. mehrere Jahrhunderte (!), bis ein Sprachkontakt zu einer Veränderung der Grammatik der aufnehmenden Sprache führt.
Mit anderen Worten: Es erscheint bei Kultursprachen wie dem Deutschen, Französischen, Italienischen, aber auch den größeren asiatischen Sprachen als völlig ausgeschlossen, daß der Einfluß des Englischen zu einer Verdrängung der jeweiligen Regionalsprache führen könnte. Im äußersten Fall würden Teile des Wortschatzes aufgenommen (und angepaßt). Die Grammatik würde – jedenfalls in den nächsten Jahrhunderten – in den wesentlichen Teilen nicht berührt.
Vor allem das Beharrungsvermögen der Grammatik wird dazu führen, daß es äußerstenfalls ein häßliches Kauderwelsch mit noch mehr englischen Lehnwörtern geben würde, aber keinesfalls eine Verdrängung des Deutschen (oder anderer bedeutender Regionalsprachen) zu erwarten ist.
Mit einer Verdrängung des Deutschen durch das Englische ist im Ergebnis somit auf keinen Fall zu rechnen, wie es das Modewort „Internationalisierung“ erwarten läßt. Die Hoffnung, daß sich der „franglais“ sprechende Franzose und der „denglish“ sprechende Deutsche bzw. Österreicher aufgrund der Anglizismen in ihren Sprachen – und mögen die englischen Brocken noch so zahlreich sein – miteinander unterhalten können, wird ein Wunschtraum bleiben.
Nicht einmal Fernsehsendungen, die in der anderen Sprache ausgestrahlt werden, wird er verstehen.
Die Vision des Herrn de Mol wird sich somit nicht erfüllen. Die Sprachbarrieren werden durch die Globalisierung nicht hinweggefegt. Allenfalls für seine Produkte vom Niveau „Big brother“ mag etwas anderes gelten. Allerdings benötigt man für diese ja schon heute keinen allzu großen Wortschatz.
Eine wirkliche Anpassung der Sprachen wird durch die Anglisierung nicht eintreten.
Aus linguistischer Sicht erscheint es sehr viel wahrscheinlicher, daß mit fortschreitendem Einfluß des Englischen auf die Nationalsprachen statt dessen eine Reihe von Pidgins entsteht, die jedoch (wie zuvor die Nationalsprachen) gegenseitig unverständlich bleiben, weil sie jeweils auf der betreffenden Nationalsprache basieren. Denn Pidgins sind nur dann untereinander verständlich, wenn die Basissprache identisch ist; und dies ist nicht einmal zwingend. Hierfür gibt es in der Geschichte der Pidgins eine Reihe von Beispielen.
Das einzige, was durch die Aufnahme unnötiger (weil entbehrlicher) Anglizismen erreicht wird, wird somit eine Verunstaltung der deutschen Sprache und eine weitgehende Polarisierung der Sprecher sein, von denen die meisten sich weigern werden, diese Modetorheit mitzumachen.
Eine ähnliche Tendenz ist z.B. bei der Entwicklung der sog. Jugendsprache zu beobachten. Auch dort versucht man, sich durch übertriebene Originalität der Sprechweise von anderen Gruppen abzugrenzen.
Das Wesen der Jugendsprache besteht darin, daß ihre Anhänger - auch weit jenseits der Pubertät – versuchen, durch bestimmte Sprachmuster eine Abgrenzung zu erreichen. Hierbei verwenden sie eine radikale Sprechsprache mit zahlreichen Gesprächspartikeln ("ey"), Anglizismen ("cool"), Vulgarismen ("Scheiße"), Adjektivbildungen auf "-mäßig" ("szenemäßig"), Superlativen („echt voll geil“), usw.
Dabei dienen besondere Grußformeln ("Hey!", "Hau rein!", "Hi, Alter!", sogar Begriffe wie: „Hey, Du alte Sau") dazu, die Gruppenzugehörigkeit zu festigen und die Gruppe gegen Erwachsene und deren Ausdrücke abzugrenzen. Sie drücken Intimität zwischen den Gesprächspartnern aus und unterscheiden die Kommunikation unter Jugendlichen vom "normalen" Sprachgebrauch.
Ein ähnliches Ziel (Abgrenzung und Hervorhebung) dürften die Verwender der Anglizismen verfolgen, auch wenn sie es nicht äußern und oft vielleicht auch nicht einmal erkennen.
Denn wie bei der Jugendsprache bezweckt die übertriebene Verwendung von Anglizismen meist auch eine Hervorhebung der eigenen Person bzw. Gruppe sowie eine Abgrenzung von anderen Sprechergruppen. Wer Anglizismen verwendet, insbesondere in einer Zeit, in der andere sie (noch) nicht verstehen, grenzt sich damit von „normalen“ Sprechern ab und ordnet sich einer gewissen „Elite“ zu. Er ist ein „Global player“, ganz im Gegenteil zu den anderen, die eine aus seiner Sicht veraltete, rückständige Sprache sprechen.
Daß er sich damit oft nur lächerlich macht (vgl. die obigen Beispiele, insbes. das von Jil Sander), nimmt er dabei in Kauf bzw. will es nicht erkennen bzw. wahrhaben.
Zur Klarstellung sei noch angemerkt, daß es in diesem Beitrag nicht um die Bedeutung des Englischen oder um die weitere Entwicklung des Englischen ging (hierzu näheres hier), sondern lediglich um den Einfluß der Anglizismen auf das Deutsche und andere Kultursprachen.
Zur Vertiefung des Themas “denglish”: Ein Link zum “Verein Deutsche Sprache e.V.”
Argumente zur deutschen Sprache - Urteile, Vorurteile und eine Erwiderung