Einfluss auf das Lateinische

Der Einfluss des Griechischen auf die lateinische Sprache war von Anfang an ungeheuer groß:

Das Griechische war auf Grund von Kriegen, Eroberungen und Handelsbeziehungen bis zum Erstarken Roms die führende Macht im gesamten Mittelmeerraum gewesen. So waren auch große Teile Italiens von griechischen Händlern kolonisiert worden. Später ließ sich eine außerordentlich große griechischsprachige Bevölkerung (Griechen, Juden, Syrer, usw.) in Rom nieder. Hinzu kam die Modernität und starker Einfluss der griechischen Literatur, die die alte, ursprüngliche lateinische Literatur geradezu hinweg fegteund durch eine neue, stark gräzisierende ersetzte. Oder

Ein weiterer Faktor war die Zweisprachigkeit der gebildeten römischen Schichten, die griechisch lernten und ihre Bildung in Griechenland vervollständigen. Selbst viele römischen Feldherren, die im II. vorchristlichen Jahrhundert Griechenland eroberten, oder bspw. die Scipionen waren begeisterte Verehrer des Griechentums.

Die griechische Sprache war in den gebildeten Kreisen Roms allgegenwärtig: In den Briefen Ciceros und in zahllosen Anekdoten über Caesar und die Verschwörer, über Tiberius und viele andere Persönlichkeiten wird deutlich, wie im Lateinischen viele Passagen und Antworten auf griechisch eingeschoben wurden.

Caesar sprach Griechisch bei seiner berühmten Entscheidung, den Rubikon zu überschreiten. Die Worte “Die Würfel sind gefallen“ (alea iacta sunt) mag er auf lateinisch gesagt haben, seine Rede mit der Begründung hielt er jedoch auf Griechisch.

Und griechisch sprach wohl auch Caesar auch zu Brutus, als er ermordet wurde. Der Satz “Et tu, mi fili Brute” (Auch du, mein Sohn Brutus) wäre also wahrscheinlich falsch überliefert.

Griechisch sprach Augustus, und Griechisch war auch die Sprache der Liebe, was Lucrez bezeugt (IV 1160) und Juvenal (VI 196 ff) kritisiert.

Griechisch war vor allem auch die intellektuelle Sprache und die Sprache der Literatur und der Wissenschaften: entweder wurde gleichauf griechisch geschrieben, oder die lateinisch geschriebenen Werke der Literatur und Wissenschaften waren voll von griechischen Wörtern, sogar von solchen in griechischer Schrift. Ciceros Briefe sind von griechischen Sätzen durchsetzt, die Briefe von Augustus und anderen enthalten eine Vielzahl griechischer Wörter, und Claudius sprach sogar vor dem Senat griechisch.

Auf diese Weise nahm das Lateinische eine Unmenge griechischer Elemente an, die weit über das hinaus gingen, was ansonsten bei Sprachkontakten üblich ist: nämlich ein Austausch bzw. eine Angleichung von Wörtern, nicht jedoch eine Anpassung der Grammatik bzw. der Struktur einer Sprache.

Es bietet sich eine Analogie zur heutigen Situation an. In einem sind sich die Forscher jedoch einig: der Umfang des griechischen Einflusses auf das Lateinische war ungleich höher als sollte der Einfluss des Englischen auf das Deutsche. - kurz gesagt: Es gab damals weit mehr Gräzismen als heute Anglizismen.

Dieser starke Einfluss der griechischen Sprache nahm erst gegen Ende der Antike - mit dem Niedergang Roms - allmählich ab: Im 4. Jahrhundert wurde Griechisch nur noch von den gehobenen Schichten und den Fachschriftstellern beherrscht. Der Einfluss des griechischen auf die lateinische Sprache war jedoch nicht mehr rückgängig zu machen. Das Griechische prägte in den folgenden Jahrhunderten die Weltsprachen auf dem Weg über die romanischen Tochtersprachen des Lateinischen.

Einige konkrete Zahlen:

Der Einfluß des Griechischen auf das Lateinische ist auch quantitativ untersucht worden. Insgesamt gibt es rund 9.000 griechische Wörter im Lateinischen.

Noch wichtiger sind die Veränderungen in der Grammatik und der Struktur des Lateinischen:

Es setzten sich Wortbildungselemente durch wie -

-ths > -ta
-ma > -ma
-tria > -tria

Hinzu kommen solche des Verbs, wie

-izw > -izare
-issw > -issare
-ismos > -ismus

Den 925 Belegen für -ismos im Griechischen stehen immerhin 65 Belegen auf –ismus im Lateinischen gegenüber.

Bei der Verbreitung der griechischen Wörter und Satzbildungselemente wirkte sich die hohe Flexibilität aus. So wurden griechische und lateinische Wörter und Wortteile nach Belieben miteinander kombiniert. Dies erhöhte die Einsatzmöglichkeiten des Griechischen erheblich, auch und gerade in der Folgezeit. So hatte fast 2000 Jahre später niemand Bedenken, bei der Suche nach einer Bezeichnung für einen neuen Gegenstand (Automobil) zwei Wörter der lateinischen und der griechischen Sprache miteinander zu kombinieren

griech. auto (selbst) und
lat mobilis (beweglich).

Schließlich noch ein Beispiel für den Einfluß des Griechischen auf den Satzbau im Allgemeinen.

Im klass. Latein erscheint die Konstruktion mit quod (i.S.v. “daß, ...“) statt der Bildung mit ut, ne oder A.c.I. im wesentlichen lediglich bei den Verben des Sagens und Denkens (häufig bei dem Komodiendichter Plautus, um 200 v.Chr.):

scio iam, filius quod amet meus instanc meretricem

Danach erscheint quod erst in “unkorrekten” Passagen des Bellum Hispansiense: renuntiaverunt quod ... oder bei Justinus: cognito quod ... Später im Vulgärlatein ist quod jedoch völlig normal und in die romanischen Sprachen übergegangen (z.B. franz: que ...). Auch für uns ist die Bildung eines derartigen Nebensatzes mit “daß ...” bzw. franz. “que ... “ völlig selbstverständlich.