Isolierte Sprachen

Die meisten Sprachen lassen sich mit Hilfe komparativer (d.h. vergleichender) Methoden in Familien einteilen. Doch es gibt auch Sprachen, die nur geringe oder keinerlei Ähnlichkeiten mit anderen Sprachen aufweisen.

Isolierte Sprachen sind somit solche, die weder strukturell noch historisch zu einer anderen Sprache in Beziehung stehen, also keiner Sprachfamilie angehören.

Einige Sprachen rechnet man nur deshalb zu den isolierten Sprachen, weil in sprachlicher oder historischer Hinsicht zu wenig über sie bekannt ist. Wie soll man eine Sprache, die man nicht übersetzen oder vielleicht nicht einmal lesen kann, denn zuordnen?

Nachstehend sind einige Sprachen aufgeführt, die derzeit als isoliert eingestuft werden: Zum Teils sind sie nicht entschlüsselt, zum Teil liegt nicht genügend Material für die Zuordnung zu einer bestimmten Familie vor, zum Teil sind die Verbindungen trotz umfassenden Datenmaterials ungeklärt. Dies kann sich jedoch, wie gesagt, mit der weiteren Entwicklung der Forschung jederzeit ändern, wenn man neue Kenntnisse gewinnt.

Linear B gehört - streng genommen - nicht in diese Kategorie, da es sich um einen frühen Dialekt des Griechischen handelt, der 1952 von Michael Ventris entziffert worden ist. Gleichwohl wurde Linear B hier aufgenommen, um die Unterschiede zu Linear A darzustellen. Ein Beitrag über Linear A wäre ohne eine Darstellung von Linear B meines Erachtens unvollständig.

  • Baskisch
  • Iberisch
  • Etruskisch
  • Linear A
  • Linear B
  • Sumerisch

Zwei der bekanntesten isolierten Sprachen (Japanisch und Koreanisch) werden im Rahmen der Altaischen Sprachen kurz vorgestellt, da einige Wissenschaftler sie wegen gewisser Ähnlichkeiten zu den altaischen Sprachen zählen.

Die nachstehenden Sprachen sind nur die aus europäischer Sicht wichtigsten. Daneben gibt es eine Reihe weiterer isolierter Sprachen, vor allem im asiatischen Raum.

Baskisch

Diese an der spanisch-französischen Westspitze (nördlich und südlich der Pyrenäen) von rund 600.000 Menschen gesprochene Sprache ist die einzige vor-indoeuropäische Sprache Südwesteuropas, also die einzige Sprache, die in Südwesteuropa die indoeuropäischen Invasionen überstanden hat.

Die wenigen weiteren Gebiete, in denen in Europa keine indogermanischen Sprachen gesprochen werden, sind Finnisch, Lappisch, Estnisch und Ungarisch (uralische Sprachen), Türkisch (altaische Sprache).

Im Gebiet von Ungarn und der Türkei wurden jedoch ebenfalls indoeuropäische Sprachen gesprochen (in der Türkei das Anatolische, das heute ausgestorben ist). Der Sprachenwechsel kam in beiden Regionen erst später im Rahmen von Eroberungen durch asiatische Nomadenvölker zustande: In Ungarn durch die Uralvölker (die Hunnen unter Attila), in der Türkei durch die Turkvölker (der Durchbruch erfolgte durch die Mongolen unter Dschingis-Khan)

Das Baskische ist somit die einzige vor-indoeuropäische Sprache in Europa (mit Ausnahme des Grenzbereichs zu Asien im Nordosten, also Finnland/Estland/Lappland).

Eine vertiefende Darstellung der baskischen Sprache einschließlich ihrer Herkunft, Entwicklung und Sprachkultur findet sich hier (von Prof. Dr. Martin Haase).

Iberisch

Diese Sprache wurde in vorrömischer Zeit in Teilen Spaniens gesprochen, vor allem in der Gegend um den Ebro. Möglicherweise war sie früher in weiteren Bereichen Westeuropas gebräuchlich.

Wir kennen das Iberische vor allem durch zeitgenössische Inschriften auf Steinen und Gebrauchsgegenständen, die entlang der Mittelmeerküste gefunden wurden, sich aber nur schwer entschlüsseln ließen.

Das aus 28 Buchstaben bestehende Alphabet zeigt Einflüsse des phönizischen und des griechischen Alphabets. Aber die Geschichte der Sprache ist ungeklärt.

Etruskisch

Die Etrusker lebten in Italien im Gebiet der heutigen Toskana, wo ihre Kultur im 6. Jahrhundert vor Chr. in höchster Blüte stand. Der aufstrebenden Weltmacht Rom gelang es erst nach langen Auseinandersetzungen, sich gegen die Etrusker durchzusetzen.

Obwohl die etruskische Sprache in rund 10.000 Inschriften erhalten ist und auch das Alphabet bekannt ist, gelang es nicht, die Sprache zu übersetzen.

Und dies, obwohl Etruskien mitten in Italien, sozusagen vor der Haustür der Weltstadt Rom lag, und obwohl sich die beiderseitigen Kulturen zeitlich überschnittten haben und es zu dieser Zeit bereits ein reichhaltiges Schriftwesen und Schrifttum gab.

Daß nur etwa 200 Worte entschlüsselt werden konnten, liegt vor allem daran, daß es sich bei den vorhandenen Inschriften überwiegend um kurze Texte, wie Grabinschriften, Zueignungen, usw. handelt.

Die Altphilologen und die einschlägige Forschung führt hierzu gerne an, daß es ja auch nicht möglich sei, anhand des Telefonbuchs der Stadt London und der Traueranzeigen in einer Londoner Zeitung Englisch zu lernen.

Gleichwohl ist es ein großes Rätsel der historischen Sprachforschung, daß keine literarischen Schriften oder historische Aufzeichnungen der Kultur vorliegen und daß auch zeitgenössischen Übersetzungen, die sicher gefertigt worden waren, mehr vorhanden sind.

Mit philologischen Mitteln waren nur geringfügige Fortschritte zu erzielen, da das Etruskische angeblich mit keiner anderen Sprache verwandt sein soll. - Auch dies läßt sich anhand der Lage Etruskiens (mitten im Herzen Europas, zwischen anderen italischen Dialekten gelegen) kaum erklären.

Es erscheint verwunderlich (und für den Autor nicht nachvollziehbar), daß schon vor rund 100 Jahren - unter wesentlich schlechteren Bedingungen - 3.000 Jahre alte Keilschriftsprachen in abgelegenen, unerschlossenen Regionen entziffert werden konnten, bei denen sowohl die Schrift als auch die Sprache zunächst unbekannt waren, während hier eine Sprache, die in klassischer Zeit mitten in Italien - sozusagen vor den Toren der aufstrebenden Weltmacht Rom - jahrhundertelang (auch in Rom) gesprochen wurde, sich allen Übertragungsversuchen widersetzt.

Eine Liste der rund 200 übersetzten Worte und eine Übersicht über die etruskische Grammatik nebst einer Darstellung der (möglichen) Herkunft der Etrusker findet sich auf der Seite etruskisch.de.

Linear A

Ein aus Hieroglyphen bestehendes Schriftsystem (Silbenschrift), das in der Mitte des 2. Jahrtausends vor Chr. auf Kreta verwendet wurde.

Die Schriftzeichen, von denen jedes für eine Silbe der zugrunde liegenden Sprache steht, bestehen aus einfachen Kombinationen von Strichen und wurden mit spitzen Griffeln in weiche Tontafeln eingeritzt.

Die Schrift konnte bislang nicht entschlüsselt werden, so daß auch die dahinter stehende Sprache nicht bekannt ist.

Manche vermuten, daß es sich um eine vor-indoeuropäische Sprache handelt, neuere Untersuchungen sehen Ähnlichkeiten mit dem Luwischen, einer ausgestorbenen anatolischen Sprache.  

Im Rahmen der sehr intensiven Forschungen ist die Sprache mit fast sämtlichen Sprachen des Mittelmeerraums und Vorderasiens in Verbindung gebracht worden, jedoch letztlich bislang ohne ein eindeutiges Ergebnis.

Eine gute Zusammenfassung findet sich bei Haarmann, der auch einen eigenen, unkonventionellen Lösungsansatz vorschlägt, der sich jedoch bislang auch nicht durchsetzen konnte.

Der Zusatz “A” unterscheidet diese Schrift vom Linear B, das etwas später zur Schreibung des Frühgriechischen benutzt wurde . Das Griechische ist eine indogermanische Sprache, während die mit der Linear-A-Schrift geschriebene Sprache wahrscheinlich (str., vgl. oben) vor-indoeuropäisch ist.

Linear A und Linear B unterscheiden sich somit sowohl in der Schrift als auch in der Sprache:

  • Das ältere Linear A ist wahrscheinlich eine vor-indoeuropäische, jedenfalls aber mit Sicherheit keine mit dem Griechischen verwandte Sprache, und sie wird in einer Silbenschrift geschrieben.
  • Beim (etwas später verwandten) Linear B handelt es sich um indoeuropäische Sprache, nämlich einen frühen Dialekt des Griechischen, und es wird in einer Buchstabenschrift geschrieben.

Die beiden einzigen Gemeinsamkeiten sind, daß beide Sprachen und Schriften kurz hintereinander im gleichen Raum (Kreta) verwandt wurden, und daß bei beiden die Texte horizontal von links oben nach rechts unten angeordnet sind, weshalb sie Linearschrift genannt werden. Ansonsten haben sie nichts miteinander gemeinsam.

Das spätere - etwa ab dem 9. Jahrhundert verwandte - klassische Griechisch ist aus dem Frühgriechischen hervorgegangen (ähnelt daher entfernt dem Linear B), wurde jedoch bekanntlich mit einem eigenen, auf dem phönizischen Alphabet beruhenden Alphabet geschrieben, das bis heute im wesentlichen unverändert geblieben ist.

Sumerisch

Das Sumerische ist die älteste in schriftlicher Form überlieferte Sprache überhaupt : Sumerische Inschriften in Keilschrift datieren etwa aus dem Jahr 3100 v. Chr.

Ab etwa 2300 v. Chr. wurde die sumerische Sprache vom Akkadischen und Assyrisch- Babylonischen verdrängt. Allerdings blieb es bis zum Verschwinden der Keilschrift (erst kurz v. Chr.) als Schriftsprache in Gebrauch.

Die Sprache und damit die sumerische Kultur wurde erst mit der Entzifferung der Keilschrift im 19 . Jahrhundert wieder entdeckt, als man feststellte, daß diese Sprache sich stark von anderen in Keilschrift geschriebenen Sprachen unterschied.

Die Sprache ist in Tausenden von geschäftlichen, juristischen, religiösen, verwaltungstechnischen und privaten Texten und Inschriften überliefert und somit außergewöhnlich gut dokumentiert.

Das bekannteste - und gleichzeitig das auf der Welt älteste - literarische Werk ist das Gilgamesch-Epos, das etwa im Jahr 2000 v.Chr. entstanden ist. Hauptfigur des Epos ist Gilgamesch (um 2600 v. Chr.), ein frühgeschichtlicher Herrscher der ersten Dynastie.

Das Sumerische ist sehr gut - bis in die tiefsten Einzelheiten - erforscht, obwohl es die älteste schriftlich überlieferte Sprache ist . Sumerisch ist im Gegensatz zu den flektierenden indogermanischen oder semitischen Sprachen eine agglutinierende Sprache (die Wortstämme werden also nicht flektiert, d.h. gebeugt). Die grammatische Struktur gleicht der anderer agglutinierender Sprachen wie Türkisch, Ungarisch und einiger kaukasischer Sprachen. Man kennt auch verschiedene Dialekte.