Die Straßburger Eide

Französische Sprache - Die Straßburger Eide

Die Straßburger Eide sind die älteste schriftliche Überlieferung eines altfranzösischen Textes und eine der ältesten Überlieferungen eines althochdeutschen  Textes, gleichzeitig also eine Bilingue (ähnlich dem Stein von Rosetta)

Die Texte betreffen Ereignisse aus dem Jahr 842, nämlich ein Treffen zwischen Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen, zwei Söhnen von Ludwig dem Frommen. Diese hatten beschlossen, ihre Truppen zu vereinen und gemeinsam gegen ihren Bruder Lothar, den dritten Sohn Ludwigs Krieg zu führen, um das karolingischer Reich danach unter sich aufzuteilen

In Begleitung ihrer beiden Heere trafen sie sich in Straßburg. Karl der Kahle brachte seine Truppen aus Frankreich mit, Ludwig der Deutsche kam mit seinem Heer aus Deutschland. Im Angesicht ihrer Heere geschworen sie heilige Eide. Ludwig der Deutsche legte seinen Eid in der Sprache Frankreichs ab, damit Karls Armee ihn verstand, während Karl seinerseits auf deutsch schwor.

Dies war natürlich sehr ungewöhnlich. Vermutlich aus diesem Grunde wurden die Eide genau so niedergeschrieben, wie sie gesprochen wurden. So sind uns einige Zeilen erhalten geblieben, die die gesprochene Sprache Frankreichs im 9. Jahrhundert wiedergeben. - Hier ein Ausschnitt des von Ludwig gesprochenen Eides:

D’ist di in avant, in quant Deus savir et podir me dunat,
 si salvarai eo cist meon fradre Karlo,

In klassischem Latein würde der Text etwa so lauten:

De isto die inantea, in quantum mihi Deus scire et posse
donaverit, sic salvabo istum meum fratrem Karolum

Auf deutsch würde dies heißen:

Von diesem Tag an und fürderhin, sofern mir Gott Wissen und Können
verleiht, werde ich diesen meinen Bruder Karl unterstützen.

Man erkennt nur noch eine entfernte Ähnlichkeit mit Latein. Die Wörter sind zwar im Großen und Ganzen dieselben, jedoch sind die Veränderungen unübersehbar:

So besitzt Latein unter anderem ein kompliziertes System von Endungen, das sich hier grundlegend geändert hat:
An beiden Wörtern „ist-o di-e“ ist die Endung verloren gegangen (isto die > ist di)

Auch die Konjugation (Flexion des Verbs) ist eine ganz andere: Die Form salvarai (ich werde unterstützen) entspricht dem lateinischen Verb salvabo. Die im Eid verwendete Futurbildung salvar-ai geht auf die 2 lateinischen Worte salvare habeo zurück. Näheres hier

In Ludwigs Eid finden sich somit viele Wörter, die es auch im klassischen Latein gibt, wogegen sich die Flexionsregeln und vieles anderes mehr geändert hat. Linguistisch sieht der Text eher nach Französisch als nach Latein aus.