Mittelenglisch
Die mittelenglische Periode, 1066 – 1500 n.Chr.
Zu Beginn der mittelenglischen Periode (die mit der normannischen Eroberung im Jahr 1066 einsetzte) war die Sprache noch flektierend, während an ihrem Ende die Beziehung unter den Satzgliedern statt dessen durch die Wortstellung geregelt wird.
- Bereits um 1200 bestanden nur noch zwei der ursprünglich vier grammatischen Kasusformen im Singular.
- Zur Kennzeichnung des Plurals wurde die Endung -es an das Substantiv angehängt.
- Die Substantivdeklination wurde noch weiter vereinfacht. Mit der Einebnung der flektierten Formen wurde das grammatische durch das natürliche Geschlecht ersetzt.
- Der duale Numerus verschwand; der Dativ und Akkusativ der Pronomina haben nun dieselbe Form
- Die skandinavischen Formen für die dritte Person Plural, they, them traten an die Stelle der einheimischen hie, hem und who. Which und that erhielten die heute noch gültige Funktion des Relativpronomens.
- Die Konjugation der Verben wurde vereinfacht, zum einen durch Weglassen der Endungen und zum anderen durch die Einführung einer gemeinsamen Form für den Singular und Plural des Präteritums (Vergangenheitsform) der starken Verben
Zu Beginn der mittelenglischen Periode wurde eine Reihe von Wörtern des Alltagsvokabulars aus dem Altnordischen übernommen, z.B. egg, sky, sister, window und get.
Durch die Normannen vergrößerte sich der Wortschatz noch weiter. Bereits vor 1250 hatte das Englische etwa 900 neue Wörter aufgenommen.
Dabei handelte es sich in der Hauptsache um Wörter wie baron, noble und feast, die von den unteren angelsächsischen Schichten für den Umgang mit den normannisch - französischen Adligen benötigt wurden.
Schließlich führten der normannische Adel und der Klerus französische Wörter aus den Bereichen Regierung, Kirche, Militär, höfisches Leben, Künste, Wissenschaften und Medizin ein.
Weitere Auswirkungen, die die normannische Eroberung auf die englische Sprache hatte, waren die Einführung der karolingischen Schrift und Veränderungen in der Rechtschreibung. Die normannischen Schreiber schrieben das altenglische y als u und û als ou. Cw wurde zu qu, hw zu wh und ht zu ght.
Während dieser sprachlichen Veränderungen bestanden die mittelenglischen Dialekte weiter. Auf sie zurückgehende Dialekte werden sogar noch im 20. Jahrhundert gesprochen. So ist das Schottische der Lowlands z. B. die Weiterentwicklung des nordenglischen Dialekts.
Übergang: Die neuenglische Vokalverschiebung
Der Übergang vom Mittel- zum Neuenglischen ist gekennzeichnet durch entscheidende Veränderungen in der Aussprache der Vokale, die im 15. und 16. Jahrhundert auftraten.
Es handelt sich dabei um eine Verschiebung in der Vokalartikulation, die sich aus der Position der Zunge und der Lippen ergibt. Die Vokalverschiebung veränderte die Aussprache von 18 der 20 Vokale und Diphthonge des Mittelenglischen.
In der folgenden Darstellung wird die Entwicklung der Phoneme und die Veränderung in der Aussprache einzelner Vokale deutlich. Man erkennt vor allem die im 15. Jhdt. beginnende große Vokalverschiebung, die alle Langvokale erfaßt.. Außer zu Phonemverschiebungen kommt es zu Phonemzusammenfällen, vgl. neuenglisch meet und meat, die homophon (gleichlautend) werden.
Grafik: Verfasser (Weikopf) (nach Viereck, dtv-Atlas, Englische Sprache),
Dagegen blieb die Rechtschreibung unverändert. Sie wurde vielmehr durch die Verbreitung des Buchdruckes in England seit circa 1475 noch weiter konserviert.
(Im Allgemeinen war die mittelenglische Orthographie viel phonetischer als die neuenglische. So wurden z. B. alle geschriebenen Konsonanten auch ausgesprochen, während heute Buchstaben wie das l in walking stumm sind.)
Alle langen Vokale, mit Ausnahme des /i:/ (im Mittelenglischen ähnlich dem ee in need ausgesprochen) und des /u:/ (wie oo in food), wurden gehoben, d. h., der Kiefer befindet sich bei der Artikulation in einer höheren Position. Das /i:/, das von der höchstmöglichen Kieferstellung aus artikuliert wird, wurde zu „ah-ee” diphthongiert, das /u:/ zu „ee-oo”.
Die Vokalverschiebung, die auch heute noch weiterwirkt, ist dafür verantwortlich, dass im Englischen die Buchstaben a, e, i, o und u anders als in den meisten anderen westeuropäischen Sprachen ausgesprochen werden.
Aus diesen und anderen Lautverschiebungen lässt sich ermitteln, wann ein Wort aus einer anderen Sprache entlehnt wurde.
Man sieht bspw., daß das altfranzösische Wort dame vor der Vokalverschiebung übernommen wurde, da sich sein ursprünglicher Vokal /a:/ wie in calm zuerst zum mittelenglischen /e:/ und dann weiter zum Diphthong /ei/ wie in name verschoben hat.